Gerichtsurteil: Autohändler muss innerhalb einer angemessenen Frist liefern – Auswirkungen auf Käuferrechte bei Lieferverzögerungen

Einleitung

In einem aktuellen Urteil hat ein deutsches Gericht entschieden, dass eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Autohändlers, die beliebig lange Lieferzeiten ermöglicht, ungültig ist. Käufer haben das Recht, bei unangemessenen Lieferverzögerungen kostenlos vom Kaufvertrag zurückzutreten.1 Dieses Urteildes AG Hanau vom 31.01.2024 zu Az.: 39 C 111/23 hat weitreichende Konsequenzen für sowohl Autohändler als auch Verbraucher und beleuchtet die Bedeutung von klaren und fairen Lieferbedingungen in Kaufverträgen.2

Hintergrund des Urteils

Der Fall betraf einen Autohändler, der aufgrund von Lieferkettenproblemen keinen festen Liefertermin für ein neu bestelltes Fahrzeug nennen konnte. Der Kaufvertrag enthielt eine Klausel, die besagte, dass die Lieferung des Fahrzeugs “ohne Liefertermin und unverbindlich vorbehaltlich einer Produktion” erfolge. Der Käufer erkundigte sich über mehrere Monate hinweg wiederholt nach dem Liefertermin, ohne klare Antworten zu erhalten. Nach fast einem Jahr setzte der Käufer dem Händler eine Frist zur Lieferung des Fahrzeugs. Als diese Frist verstrich, trat der Käufer vom Vertrag zurück, woraufhin der Händler eine Stornogebühr von über 3.000 Euro verlangte.

Das Gericht entschied zugunsten des Käufers und stellte fest, dass die Klausel in den AGB des Autohändlers unwirksam ist und der Käufer ein Recht auf kostenlosen Rücktritt vom Vertrag hat.

Juristische Analyse des Urteils

1. Unwirksame Klausel in den AGB

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die in den AGB des Autohändlers enthaltene Klausel, die keine konkreten Lieferfristen festlegt, den Käufer unangemessen benachteiligt und daher nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Diese Norm schützt Verbraucher vor unklaren und übermäßig langen Fristen, die sie an einen Vertrag binden könnten, ohne dass eine klare Leistungserbringung in Aussicht steht.

Im vorliegenden Fall war es dem Autohändler aufgrund der unklaren Lieferkettensituation nicht möglich, einen festen Liefertermin zu nennen. Doch eine Klausel, die eine unbestimmte Lieferfrist vorsieht, ist nach Auffassung des Gerichts nicht zulässig. Ein Kaufvertrag muss für beide Parteien faire und zumutbare Bedingungen enthalten, was hier nicht der Fall war.

2. Recht zum Rücktritt bei Lieferverzug

Das Gericht entschied, dass der Käufer das Recht hatte, vom Kaufvertrag zurückzutreten, nachdem eine angemessene Frist zur Lieferung des Fahrzeugs erfolglos verstrichen war. Gemäß § 323 Abs. 1 BGB kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten, wenn der Verkäufer eine fällige Leistung nicht innerhalb einer angemessenen Frist erbringt.

Im vorliegenden Fall wurde dem Autohändler fast ein Jahr Zeit gegeben, um das Fahrzeug zu liefern. Diese Zeitspanne wurde vom Gericht als mehr als ausreichend angesehen, insbesondere da der Händler nicht einmal mit der Produktion des Fahrzeugs begonnen hatte.

3. Keine Schadensersatzpflicht des Käufers

Ein weiterer wichtiger Punkt des Urteils war die Frage, ob der Käufer dem Händler aufgrund des Rücktritts Schadensersatz schuldet. Der Händler hatte eine Stornogebühr von 15 % des Kaufpreises gefordert, was das Gericht jedoch ablehnte. Die Begründung war, dass der Käufer das Fahrzeug nicht abnehmen konnte, da es schlichtweg noch nicht produziert war. Ohne die Existenz des Fahrzeugs kann dem Käufer kein Verschulden vorgeworfen werden, weshalb auch keine Schadensersatzpflicht besteht.

Auswirkungen des Urteils auf Autokäufer und Händler

1. Stärkung der Käuferrechte

Dieses Urteil stärkt die Position von Verbrauchern erheblich, insbesondere in Zeiten von Lieferkettenproblemen und Produktionsverzögerungen. Käufer können sich darauf berufen, dass eine unklare oder übermäßig lange Lieferfrist in den AGB eines Händlers unwirksam ist. Sollte der Händler nicht in der Lage sein, innerhalb einer angemessenen Frist zu liefern, können Käufer vom Vertrag zurücktreten, ohne eine Strafe zahlen zu müssen.

2. Verpflichtung zur klaren Vertragsgestaltung für Händler

Für Autohändler bedeutet dieses Urteil, dass sie ihre AGB und die Vertragsbedingungen klar und fair gestalten müssen. Beliebig lange Lieferfristen oder unverbindliche Angaben zur Lieferzeit sind unzulässig. Händler müssen sicherstellen, dass sie entweder realistische Liefertermine nennen oder die Risiken klar und transparent kommunizieren, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

3. Praktische Tipps für Autokäufer

Verbraucher sollten bei Vertragsabschluss genau auf die Lieferbedingungen achten und sich nicht auf unklare oder unverbindliche Angaben einlassen. Sollte es zu erheblichen Verzögerungen kommen, ist es ratsam, frühzeitig eine Frist zur Lieferung zu setzen und bei Nichterfüllung den Rücktritt vom Vertrag in Betracht zu ziehen. Das Urteil zeigt, dass Verbraucher in solchen Fällen rechtlich gut abgesichert sind.

Fazit

Das Urteil ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Verbraucherrechte und setzt klare Grenzen für die Vertragsgestaltung von Autohändlern. Käufer können sich auf eine angemessene Lieferfrist verlassen und haben das Recht, bei Verzögerungen vom Vertrag zurückzutreten, ohne befürchten zu müssen, dass ihnen hohe Stornogebühren auferlegt werden. Autohändler sind nunmehr gefordert, ihre Vertragsklauseln entsprechend anzupassen und transparentere Bedingungen zu schaffen.

  1. Neuwagen-Kaufvertrag: Ab wann ist ein Rücktritt möglich? Maximale Wartezeit (t-online.de) ↩︎
  2. https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE240000792 ↩︎
Cookie Consent mit Real Cookie Banner