Im deutschen Vertragsrecht herrscht grundsätzlich das Prinzip der Formfreiheit. Dies bedeutet, dass die meisten Verträge formfrei, also mündlich oder durch schlüssiges Handeln (z.B. Handschlag), geschlossen werden können. Es gibt jedoch Ausnahmen, bei denen der Gesetzgeber eine bestimmte Form verlangt, um den Vertrag rechtswirksam zu machen. Dazu gehören insbesondere die Schriftform, notarielle Beurkundungen und qualifizierte elektronische Signaturen.
In diesem Artikel beleuchten wir die Formfreiheit, ihre Grenzen und welche Formvorschriften für spezielle Vertragsarten gelten.
1. Grundprinzip der Formfreiheit: Verträge ohne Schriftform
Das deutsche Vertragsrecht beruht auf dem Grundsatz der Privatautonomie, der es den Parteien erlaubt, ihre Verträge grundsätzlich in jeder beliebigen Form zu schließen. Die Mehrheit der Verträge kann formfrei, also mündlich, durch einvernehmliches Verhalten oder per Handschlag, wirksam zustande kommen. Die Formfreiheit ist ein Ausdruck der Vertragsfreiheit und ermöglicht eine flexible Gestaltung von Rechtsgeschäften im täglichen Leben.
1.1. Mündliche Verträge
Ein mündlicher Vertrag kommt zustande, wenn beide Parteien sich über die wesentlichen Vertragsinhalte einig sind. Dies ist in den meisten Lebensbereichen üblich und praktisch, da es keine schriftlichen Vereinbarungen erfordert. Beispiele für häufig formfrei geschlossene Verträge sind:
- Kaufverträge über Alltagsgegenstände
- Dienstverträge oder einfache Arbeitsverträge
- Mietverträge für kurzfristige Mietverhältnisse, sofern sie unter einem Jahr dauern
Ein klassisches Beispiel ist der Einkauf im Supermarkt: Hier schließen Käufer und Verkäufer einen formfreien Vertrag, indem die Ware entgegengenommen und bezahlt wird.
1.2. Schlüssiges Handeln und Handschlag
Auch durch schlüssiges Handeln kann ein Vertrag formfrei zustande kommen. Dies bedeutet, dass beide Parteien durch ihr Verhalten deutlich machen, dass sie den Vertrag abschließen möchten. Ein traditioneller Ausdruck der Einigung durch schlüssiges Handeln ist der Handschlag, der in vielen Bereichen nach wie vor eine symbolische Bedeutung hat.
1.3. Vorteile und Risiken der Formfreiheit
Die Formfreiheit bietet den Vorteil, dass Verträge schnell und unkompliziert geschlossen werden können. Doch sie birgt auch Risiken:
- Beweisschwierigkeiten: Mündliche Vereinbarungen sind schwer nachzuweisen, insbesondere wenn sich die Parteien über die Vertragsbedingungen streiten.
- Missverständnisse: Ohne klare schriftliche Vereinbarungen kann es leicht zu Missverständnissen über den Vertragsinhalt kommen.
In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, trotz Formfreiheit eine schriftliche Vereinbarung zu treffen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
2. Ausnahmen von der Formfreiheit: Die Schriftform
Während die Formfreiheit das Grundprinzip darstellt, gibt es zahlreiche Ausnahmen, bei denen der Gesetzgeber die Schriftform oder andere strenge Formvorschriften vorschreibt. Derartige Vorschriften dienen vor allem dem Schutz der Vertragsparteien, indem sie Transparenz und Rechtsklarheit schaffen und vor übereilten Entscheidungen bewahren.
2.1. Schriftform und eigenhändige Unterschrift nach § 126 BGB
Für bestimmte Verträge verlangt das Gesetz eine eigenhändige Unterschrift nach § 126 BGB. Diese Vorschrift sieht vor, dass der Vertrag schriftlich abgefasst und von den Parteien eigenhändig unterzeichnet sein muss. Ein typisches Beispiel sind:
- Kündigungen von Arbeitsverträgen
- Bürgschaften
- Mietverträge mit einer Laufzeit von über einem Jahr
Wenn die Schriftform nicht eingehalten wird, ist der Vertrag nichtig, das heißt, er ist nicht rechtswirksam.
2.2. Notarielle Beurkundung für besondere Verträge
Für bestimmte, besonders bedeutende Rechtsgeschäfte schreibt das Gesetz die notarielle Beurkundung vor. Diese Formvorschrift dient dazu, die Parteien besonders auf die Tragweite des Vertrags aufmerksam zu machen und zu schützen. Beispiele für Verträge, die eine notarielle Beurkundung erfordern, sind:
- Grundstückskaufverträge nach § 311b BGB
- Eheverträge
- Erbverträge
- Schenkungsversprechen, wenn der Schenker zur Leistung verpflichtet werden soll
Die notarielle Beurkundung gewährleistet nicht nur, dass der Vertrag formwirksam geschlossen wird, sondern sie sorgt auch dafür, dass die Parteien über die Rechtsfolgen ihres Handelns aufgeklärt werden.
3. Eingescannte Unterschriften: Was ist erlaubt?
In vielen Bereichen des Geschäftslebens ist es mittlerweile üblich, Verträge per E-Mail abzuwickeln und dabei eingescannte Unterschriften zu verwenden. Doch diese Praxis ist nicht in jedem Fall ausreichend.
3.1. Eingescannte Unterschriften im Geschäftsverkehr
Eingescannte Unterschriften sind in vielen Fällen ausreichend, vor allem dann, wenn beide Parteien dem digitalen Verfahren zugestimmt haben. Solche Verfahren werden häufig in der Praxis genutzt, wenn eine schnelle Abwicklung erforderlich ist. Dies gilt insbesondere im B2B-Bereich, wo Verträge oft elektronisch ausgetauscht werden.
Allerdings erfüllen eingescannte Unterschriften nicht die Anforderungen an eine eigenhändige Unterschrift nach § 126 BGB. Bei Verträgen, die eine eigenhändige Unterschrift erfordern, wie z.B. Bürgschaften oder Kündigungen, sind eingescannte Unterschriften ungültig.
3.2. Grenzen der eingescannten Unterschrift
Wichtig ist, dass eingescannte Unterschriften für Verträge, die einer Schriftform nach § 126 BGB bedürfen, nicht ausreichend sind. In solchen Fällen muss der Vertrag in Papierform vorliegen und eigenhändig unterzeichnet sein. Wird diese Vorschrift missachtet, ist der Vertrag unwirksam.
4. Elektronische Signaturen: Die digitale Alternative
Mit der zunehmenden Digitalisierung wird die elektronische Signatur immer wichtiger. Die elektronische Signatur bietet eine rechtswirksame Alternative zur eigenhändigen Unterschrift, allerdings nur, wenn bestimmte Anforderungen erfüllt werden.
4.1. Qualifizierte elektronische Signatur (qeS) nach § 126a BGB
Um die Anforderungen einer eigenhändigen Unterschrift zu erfüllen, muss eine qualifizierte elektronische Signatur (qeS) verwendet werden. Eine solche Signatur wird von einem zertifizierten Trustcenter ausgestellt und bietet ein hohes Maß an Sicherheit und Verbindlichkeit. Sie ist gemäß § 126a BGB der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt und kann in vielen Bereichen genutzt werden, zum Beispiel für:
- Online-Verträge
- Elektronische Anträge
- Digital unterzeichnete Angebote
Die qualifizierte elektronische Signatur ist allerdings nicht mit einer eingescannten Unterschrift zu verwechseln. Letztere ist technisch gesehen nur ein digitales Bild der Unterschrift und erfüllt daher nicht die hohen Anforderungen des BGB.
4.2. Vorteile der qualifizierten elektronischen Signatur
Die qualifizierte elektronische Signatur bietet zahlreiche Vorteile:
- Rechtsverbindlichkeit: Sie erfüllt die gesetzlichen Anforderungen an die Schriftform.
- Sicherheit: Durch Zertifizierung und Verschlüsselung ist sie fälschungssicher.
- Zeit- und Kostenersparnis: Verträge können schneller und ohne den Aufwand des postalischen Versands abgeschlossen werden.
Allerdings ist sie nicht in allen Fällen anwendbar. In bestimmten Fällen, wie bei Grundstückskaufverträgen, schreibt das Gesetz weiterhin die notarielle Beurkundung vor, die durch eine elektronische Signatur nicht ersetzt werden kann.
Formfreiheit und ihre Grenzen
Das deutsche Vertragsrecht bietet mit der Formfreiheit große Flexibilität, was die Gestaltung und den Abschluss von Verträgen betrifft. Die meisten Verträge können mündlich, per Handschlag oder durch schlüssiges Handeln zustande kommen. In bestimmten Fällen, wie bei Grundstückskaufverträgen oder Eheverträgen, verlangt das Gesetz jedoch besondere Formvorschriften, wie die Schriftform oder die notarielle Beurkundung.
Die Nutzung von eingescannten Unterschriften ist in vielen Bereichen des Geschäftslebens zulässig, jedoch nicht bei Verträgen, die eine eigenhändige Unterschrift nach § 126 BGB erfordern. Hier kann eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 126a BGB eine rechtssichere digitale Alternative bieten.
Für Verbraucher und Unternehmen ist es daher wichtig, die jeweiligen Anforderungen an die Form von Verträgen zu kennen und einzuhalten, um Rechtswirksamkeit und Rechtssicherheit zu gewährleisten.