Die Betriebsgefahr ist ein zentraler Begriff im deutschen Verkehrsrecht und bezieht sich auf die von einem Fahrzeug ausgehende Gefährdung. Die Betriebsgefahr stellt sicher, dass Halter auch ohne Verschulden für Schäden, die durch ihre Fahrzeuge verursacht werden, haften.
1. Was ist Betriebsgefahr?
Die Betriebsgefahr bezeichnet die erhöhte Gefahr, die von einer Sache allein aufgrund ihrer Eigenart ausgeht. Sie ist eine Form der Gefährdungshaftung, die besagt, dass der Inhaber der Betriebsgefahr für Schäden haftet, die durch den Betrieb seiner Sache entstehen, ohne dass ihm ein Verschulden nachgewiesen werden muss.
1.1 Kfz-Betriebsgefahr als Haftungsgrund
Im Straßenverkehr ist die häufigste Form der Betriebsgefahr diejenige, die von einem Kraftfahrzeug ausgeht. Laut § 7 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) haftet der Fahrzeughalter verschuldensunabhängig, wenn durch sein Fahrzeug:
- ein Mensch getötet,
- die Gesundheit eines Menschen verletzt oder
- eine Sache beschädigt wird.
Die Haftung des Fahrzeugführers ist gemäß § 18 StVG jedoch an das Vorliegen von Verschulden geknüpft. Wenn der Halter eines Fahrzeugs nicht gleichzeitig dessen Eigentümer ist, kann die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs nicht auf Schadensersatzansprüche angewendet werden (OLG Karlsruhe, 02.12.2013 – 1 U 74/13).
2. Voraussetzungen und Umfang der Betriebsgefahr
Die Haftung aus Betriebsgefahr erfordert, dass der Schaden „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden ist. Dies wird weit ausgelegt, was bedeutet, dass ein Schaden bereits dann vorliegt, wenn sich von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren ausgewirkt haben.
2.1 Zeitlicher und örtlicher Zusammenhang
Für die Zurechnung der Betriebsgefahr ist entscheidend, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung des Fahrzeugs steht. Ein Beispiel dafür ist ein Unfall, bei dem ein geparkter PKW vorsätzlich in Brand gesetzt wurde, da dies keine Betriebsgefahr begründet (BGH, 27.11.2007 – VI ZR 210/06).
2.2 Formen der Betriebsgefahr
Die Betriebsgefahr kann in zwei Formen unterteilt werden:
- Einfache Betriebsgefahr: Diese entsteht allein durch die Haltereigenschaft und die normale Benutzung des Fahrzeugs.
- Erhöhte Betriebsgefahr: Diese liegt vor, wenn besondere Umstände, wie beispielsweise ein riskantes Fahrverhalten, zu einer erhöhten Gefahr führen. Eine deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit kann als solche erhöhte Betriebsgefahr gelten (OLG Schleswig, 30.07.2009 – 7 U 12/09).
3. Beispiele aus der Rechtsprechung
Ein anschauliches Beispiel ist die Situation eines Rettungswagens, der mit Sonderrechten in eine Kreuzung einfährt. Hierbei entsteht eine hohe Gefährdung, die beim Unfall realisiert werden kann (OLG Düsseldorf, 06.02.2018 – I-1 U 112/17).
Ein weiteres Beispiel ist ein Hundebiss, der einem Fahrer zugeschrieben wird, der zuvor einen Dackel überfahren hat. Das OLG Celle entschied, dass der Biss dem PKW zugerechnet werden kann, da er in einem schockbedingten Zusammenhang mit dem Vorfall stand (OLG Celle, 05.10.2022 – 14 U 19/22).
4. Ausschluss der Haftung bei höherer Gewalt
Eine wichtige Ausnahme bildet die höhere Gewalt, die dann vorliegt, wenn ein außergewöhnliches Ereignis von außen eingreift, das nicht vorhersehbar ist und mit angemessenen Mitteln nicht abgewendet werden kann (OLG Celle, 12.05.2005 – 14 U 231/04).