Die Aufsichtspflichtverletzung ist ein zentraler Aspekt im deutschen Zivilrecht, insbesondere im Zusammenhang mit der Verantwortung von Eltern und Erziehern gegenüber Minderjährigen und anderen aufsichtsbedürftigen Personen. In diesem Artikel erläutern wir die rechtlichen Grundlagen, die Voraussetzungen und die Folgen einer Aufsichtspflichtverletzung.
Was ist die Aufsichtspflicht?
Aufsichtspflichtige Personen, wie Eltern und Erzieher, sind gesetzlich oder vertraglich verpflichtet, Minderjährige oder geistig behinderte Menschen so zu beaufsichtigen, dass diese sich selbst oder Dritte nicht schädigen. Die Haftung dieser Personen kann sowohl aus vertraglichen Vereinbarungen als auch aus dem Deliktsrecht resultieren.
Voraussetzungen der Aufsichtspflichtverletzung
Um eine Aufsichtspflichtverletzung festzustellen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Aufsichtsbedürftigkeit
Aufsichtsbedürftig sind:
- Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.
- Personen mit körperlicher oder geistiger Behinderung, die einer besonderen Aufsicht bedürfen.
2. Bestehen einer Aufsichtspflicht
Die Aufsichtspflicht ergibt sich aus verschiedenen rechtlichen Grundlagen:
- Eltern: Ihre Aufsichtspflicht ist Teil der Personensorge, die das Recht und die Pflicht umfasst, das Kind zu pflegen, zu erziehen und zu beaufsichtigen (gemäß §§ 1626, 1631 BGB).
- Erzieher: Hier basiert die Aufsichtspflicht auf vertraglichen Vereinbarungen.
3. Schuldhafte Verletzung der Aufsichtspflicht
Es muss nachgewiesen werden, dass der Aufsichtspflichtige seine Pflichten schuldhaft verletzt hat.
4. Eintritt eines Schadens
Der Schaden muss kausal auf der Verletzung der Aufsichtspflicht beruhen. Die Beurteilung erfolgt im Einzelfall nach einem objektiven Maßstab.
Inhalt der Aufsichtspflicht
Die konkreten Inhalte der Aufsichtspflicht können je nach Aufsichtspflichtigem variieren. Während Eltern für ihre Kinder verantwortlich sind, gilt für Erzieher eine vertragliche Regelung.
Folgen der Aufsichtspflichtverletzung
1. Vertragliche Haftung
Nach § 280 BGB kann ein Schuldner bei der Verletzung einer vertraglichen Pflicht Schadensersatz verlangen. Bei der Haftung eines Erziehers könnte der Arbeitgeber Regress gegen den Mitarbeiter nehmen.
2. Deliktische Haftung
2.1 Haftung gemäß § 832 BGB
Gemäß § 832 BGB ist der Aufsichtspflichtige zum Schadensersatz verpflichtet, wenn die aufsichtsbedürftige Person einem Dritten einen Schaden zufügt. Das Verschulden wird vermutet, es sei denn, der Aufsichtspflichtige kann beweisen:
- dass er seine Aufsichtspflicht nicht verletzt hat, oder
- dass kein Kausalzusammenhang zwischen der Aufsichtspflichtverletzung und dem Schadenseintritt besteht.
2.2 Haftung gemäß § 823 BGB
Wenn die aufsichtsbedürftige Person selbst verletzt wird, kann eine Schadensersatzpflicht gemäß § 823 BGB in Betracht kommen.
2.3 Amtshaftung
Ist der Aufsichtspflichtige im öffentlichen Dienst tätig (z.B. in einer Kita), können die Grundsätze des § 832 BGB auch hier Anwendung finden (BGH 13.12.2012 – III ZR 226/12).
3. Mitverschulden
Der Anteil des Geschädigten am Zustandekommen eines Unfalls wird gemäß den Regeln des Mitverschuldens berücksichtigt (OLG Karlsruhe 10.08.2007 – 14 U 8/06).
Anspruchskonkurrenz
Das Kind oder der Heranwachsende kann unter bestimmten Voraussetzungen selbst für den Schaden haften. Der Aufsichtspflichtige und die minderjährige Person haften in der Regel als Gesamtschuldner. Nach § 840 Abs. 2 BGB wird die Haftung im Innenverhältnis allein auf den Aufsichtspflichtigen übertragen.